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Thomas Hürlimanns Roman HEIMKEHR (S. Fischer Verlag) ist eine moderne Odyssee-Erzählung, die am Ende genauso ein Märchen bleibt wie jene von Homer.
Inhalt von HEIMKEHR
Heinrich Übel junior ist der Sohn eines großen Gummifabrikanten in der Schweiz. Die bevorstehende Odyssee des einsamen Helden beginnt mit einem Autounfall. In einer Winternacht verunglückt Heinrich auf dem Weg zu seinem Vater, der ihn einst mit den Worten „Mein lieber Abfall, du bist weit vom Stamm gefallen!“ davonjagte. Heinrich flüchtet darauf nach Zürich, studiert dies und das als Gasthörer und schreibt seine Lebensgeschichte auf über 1000 Seiten. Eigentlich sollte es ein Lebenslauf werden, aber so ist Heinrich eben. Dann ruft der Vater an und er macht sich auf dem Weg zu ihm. Leider ohne Erfolg. Er verunglückt mit dem Auto. Nach dem er, verletzt und blutend, durch das nächtliche Kalte irrt, verliert er das Bewusstsein und wacht in Italien, genauer gesagt Sizilien, auf. Und hier beginnt die Odyssee des seltsamen Helden, der nun eine für mich leider nicht ganz verständliche Wandlung durchläuft.
Sprache und Stil
Hürlimanns Roman HEIMKEHR beginnt sehr stark. Die ersten Absätze bis Seite 17 haben mich tatsächlich gepackt und ich freute mich auf den Rest. Wie Heinrich wollte ich wissen, was passiert sei und ob er noch Heinrich ist oder plötzlich vielleicht doch jemand anderes, oder war alles nur ein verrückter Traum?
Dem Unfall folgt das Genesen in Sizilien. Der verlorene, schwächelnde und an sich zweifelnde Sohn des Gummifabrikanten entwickelt sich zu einem mafiosi-ähnlichen Mannsbild. Nicht glaubhaft. Schade. Der Heinrich Übel vom Anfang des Buches gefällt, der andere, der sich wie ein Ganove ausdrückt, die „Revolverfresse“, erscheint wie aus Zauberhand. Durch nichts im Buch ist dies möglich und denkbar. Bis auf einen Satz, mein Lieblingssatz, den du hier am Ende meines Beitrages findest.
Trotzdem: HEIMKEHR ist ein Buch wie eine Schatztruhe der Literatur. Sprachlich schön, modern, anders, witzig, einfallsreich, spielend, übertrieben und hier und da nervig. Die Geschichte ist lang, bunt, sehr bunt, es kommen so viele Elemente, Ort und Geschehen wie der Ost-West-Konflikt von Deutschland inklusive Fluchthilfe vor. Ich stöhnte, lachte, blätterte hastig oder genervt weiter, ließ Absätze aus, musste nachlesen.
Über den Autor
Thomas Hürlimann ist ein Autor aus der Schweiz, der 2001 für FRÄULEIN STARK den Joseph-Breitbach-Preis erhielt. 2015 erkrankte er an Krebs und ließ sicherlich viele seiner Erfahrungen während dieser Zeit in HEIMKEHR einfließen, denn liest man das Buch mit diesem Wissen, wirkt es wie die Reise zurück zur Genesung, die bisweilen auf der Kippe steht.
Mein Lieblingssatz
„Denn so fromm die beiden waren, so blutrünstig waren sie auch, und es ist ein bekanntes Phänomen, dass sich gerade die scheinbar Harmlosen, die Furchtsamen, über Nacht in Ungeheuer verwandeln – Kriege werden mit Familienvätern und braven, von ihren Müttern gesegneten Söhnen gewonnen … „